„Wie immer“ – Die Mär vom erinnerungswürdigen Haarschnitt
- Kopfsache GmbH
- 5. Apr.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Apr.

Was Friseure wirklich denken, wenn jemand glaubt, er sei einzigartig im Meer aus Männerköpfen
Er tritt ein wie ein Mann mit Plan. Der Schritt selbstbewusst, der Blick geradeaus, das Gesicht leicht ungeduldig – schließlich ist er heute dran. Endlich. Wieder mal. Zwei Monate Pause, sagen wir mal… oder drei? Vielleicht war Sommer dazwischen. Oder Weihnachten. Oder sein letzter Besuch war ein anderes Leben.
Er nimmt Platz. Wir fragen:„Wie hättest du’s denn gern heute?“
Dann die Worte, gesprochen mit der Autorität eines Mannes, der denkt, dass er damit die Welt ordnet:„Wie immer.“
Und wir erstarren innerlich.Denn hier beginnt die schönste Lüge des Barbershop-Alltags.
„Wie immer.“Ach ja. Klar. Du, mein lieber Mann, bist der eine, der aus der Masse hervorsticht. Dein Nacken hat einen ganz bestimmten Schwung, deine Seiten sind ein ganz bestimmter Millimeter, und deine Stirn ist unverwechselbar. Natürlich erinnern wir uns an deinen letzten Haarschnitt von Anfang Februar, 13:20 Uhr, zwischen dem Typen mit dem Undercut-Desaster und dem Kunden, der während des Schneidens eingeschlafen ist.
Spoiler: Tun wir nicht.
Nicht, weil wir dich nicht mögen. Nicht, weil wir nicht aufpassen. Sondern weil wir in der Zwischenzeit ungefähr 834 Köpfe gesehen haben, davon 117 mit exakt deinem Haarverlauf und mindestens 40 mit dem gleichen „Ich sag einfach wie immer, dann geht’s schneller“-Gesichtsausdruck.
Und dann? Dann beginnt der Tanz:
„Wie immer... also Seiten kurz?“„Nein, so wie letztes Mal!“„Letztes Mal… 6 mm oder 3 mm?“„Keine Ahnung. Was meinst du, was ich sonst immer habe?“„Du hast einmal 3, einmal 6 gehabt. Einmal Übergang, einmal nicht.“„Dann... das dazwischen?“
Genau. Die magische Frisur „Dazwischen“. Der heilige Gral unter den Haarschnitten. Halb Erinnerung, halb Mythos, komplett geraten.
Manchmal haben wir ein Foto. Irgendwann gemacht. Vielleicht von der Frau. Vielleicht vom Rückspiegel. Vielleicht vom Spiegelselfie mit schiefem Kopf. Es hilft – ein bisschen. Wenn die Belichtung stimmt. Und der Kunde seitdem nicht angefangen hat, an der Schläfe zu ergrauen oder sich für den neuen Barttrend aus Skandinavien interessiert.
Und doch: Wir machen es. Wir schneiden. Mit Erfahrung, mit Gefühl, mit 87% Wahrscheinlichkeit, dass du am Ende sagst:„Ja, passt eh. Ist eh wie immer, oder?“
Und wir nicken. Weil wir dich mögen.Und weil es am Ende ja gar nicht darum geht, ob’s wirklich wie immer ist –Sondern ob du dich wieder erkennst, wenn du aufstehst. Und ob du dir denkst:„So wollte ich’s.“Auch wenn du’s gar nicht mehr genau weißt.
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